Kult oder Kultur des Leibes

Ich als Mensch lebe mit bzw. im Leib. Mein Geist, meine Seele wurde sozusagen eingefleischt und bildet mit dem Körper eine Einheit.
Die biblische Lehre von der Erschaffung des Menschen als geistlich-leibliches Wesen und von seiner Auferstehung betont den Wert des Leibes und seine himmlische Bestimmung.
In (als) Folge der Erbschuld haben wir Probleme, ein Gleichgewicht und eine Harmonie zwischen Leib und Seele in uns zu schaffen und sie zu leben. Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass wir in Bezug auf unseren Körper entweder den Leib vernachlässigen und ihn geringachten oder ihn glorifizieren und sogar anbeten. Es gab Strömungen, wie z.B. Manichäismus, die im Leib ein Gefängnis der Seele sahen. Man muss dabei anmerken, dass es bei fehlender Hygiene und Medizin sehr schwierig war, den schlecht riechenden und leidenden Körper zu lieben.
Unsere Zeit scheint wiederum dem Körper den Vorrang zu geben. Die blühenden Gymnastikkurse, Schwimmbäder, Saunas, Wellness, Fitnesscentren, Solarien, Kosmetikstudios und Schönheitsoperationen bestätigen diese These.
Sehr viele Menschen scheinen mit ihrem Körper unzufrieden zu sein. Darum wollen sie ihn verschönen, stärken und als Quelle des Genusses erleben. Das endet oft mit Enttäuschung und Frust, besonders dann, wenn wir uns mit anderen vergleichen und noch mehr, wenn die Alterungspozesse fortschreiten.
Unsere christliche Religion lässt uns Menschen als eine Ganzheit und Einheit sehen und für Harmonie zwischen Leib und Seele sorgen.
Unser Leib ist von Gott-Schöpfer gewollt. Er ist gut. Und es ist schön im Leib zu leben und ihn zu erleben. Gotteswille ist, dass wir unsere Leibhaftigkeit genießen durch Sehen, Hören. Schmecken, Riechen, Betasten usw. Jede tiefe geistliche Erfahrung, wie Liebe, Freude, Trauer, Schmerz, Faszination … geschieht durch unseren Körper. Jedoch eine gewisse Übertreibung und Nicht-Beherrschung im leiblichen Genuss schaden dem Leib und der Seele. Darum soll ich mich statt um den Kult des Leibes vielmehr um die Kultur (=Pflege) meines Körpers und meiner Seele bemühen.

Msgr. Dr. Josef Hernoga, Schwabach, 10.08.18